Immanuel Tröster


Autor des Buches

„Joh. Seb. Bach“







I. Information

Mit Hilfe dieser Homepage soll der Versuch gestartet werden, näheres über Immanuel Tröster, den Autor des Buches "Joh. Seb. Bach" (Karthause-Verlag, Iserlohn 1984, 562 S., ISBN 3-922100-02-3) in Erfahrung zu bringen.
Wir sind eine kleine Gruppe interessierter Personen, die sich überwiegend aus Studenten und Professoren der Kölner Hochschule für Musik zusammensetzt und möchten mehr über die wissenschaftliche Arbeit des Autors wissen, um von ihm und seiner speziellen Analysetechnik der Werke Joh. Seb. Bachs zu lernen.

Diese Seite ist als eine Art Forum zu verstehen, in dem sich Personen austauschen können, die das Buch ganz gelesen und verstanden haben oder die vielleicht mehr über die wissenschaftliche Arbeit des Autors wissen könnten.

Tröster hat nur diese eine Schrift veröffentlicht und sich dann völlig zurückgezogen.

Als kleine Anregung zur Lektüre ist nachfolgend das Inhaltsverzeichnis mitgeteilt:

Inhaltsübersicht


Vorwort
Von der Integrität des dichterischen Denkens
Von der Dualität des Artikulierten und des Wortlosen
Von der Kunst des Komponierens
Allein Gott in der Höh sei Ehr
Von Gleitenden Stimmen
Von der Circulatio und der Oktave
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Von dem Akrostichon
Jesu, meine Freude
Von den Wanderern
Wer nur den lieben Gott läßt walten
Von der Relativierung des Absoluten


Die Clavierübung

1. Die Zeit
2. Die Welt
3. Die Lehre
4. Die Herausforderung
5. Die Begegnung


Das Buch zeigt einen musikalischen Zusammenhang aller Teile der Clavierübung auf und versucht musikalisch zu begründen, dass die sog. „Kunst der Fuge“ als 5. Teil der Clavierübung gedacht gewesen sei.





„Daneben sind (in Trösters Buch) aber auch andere Aspekte der Bachschen Musik beleuchtet und neue Theorien entwickelt worden, u. a. die gleitenden Stimmen, das Akrostichon der großen Werkzyklen, eine Erklärung der musikalischen ,Klang-Bilder’ auf rein akustischer Basis und ohne Bezug zur Notenschrift, vor allem aber das Komponierverfahren mit eigenständigen Wurzeln und die Zentralrolle des Chorals im Bachschen Denken...“ (S. 561)

Tröster entwickelt in seiner Schrift eine besondere Analysemethode, die auf einer Kombination der Schenkerschen Ursatz-Theorie mit der Figurenlehre und verschiedenen Choralkontexten beruht und völlig neuartig ist.

Leider ist das Buch vergriffen und wurde wenig rezipiert, weil die Auflage aufgrund der hohen Herstellungskosten (zahlreiche handschriftliche Notenbeispiele und Faksimiles) und des geringen Absatzes bald nach dem Erscheinen eingestellt wurde. Andererseits war der Druck fehlerhaft und wurde nicht im Sinne des Verfassers ausgeführt, so dass die Einstellung der Auflage auch auf Wunsch des Autors geschah. Deshalb blieben seine Thesen bis heute weitgehend unbekannt.



II. Biographie

Aufgrund bisheriger Recherchen lassen sich die Stationen seines Lebenswegs wie folgt skizzieren:
Immanuel Tröster (voller Name: Ewald Immanuel Tröster) wurde am 2. März 1930 in Tel Aviv (Israel) geboren, ging dann nach England und nach Ende des 2. Weltkriegs nach Essen und Göttingen, wo er als Musikalienhändler bei der ehemaligen Firma Hack arbeitete, 1984 das Buch schrieb und bis März 1987 in der Lotzestrasse 22 wohnte. Er baute und restaurierte seinerzeit Clavichorde: Zwei seiner Arbeiten befinden sich in der Musikinstrumentensammlung des Musikwissenschaftlichen Seminars der Georg-August-Universität in Göttingen. Danach zog er nach Strasbourg (Frankreich), wohnte 67 Route de Mittelhausbergen und starb dort am 16. April 2003. Er ruht in einem ungekennzeichneten Grab auf dem Friedhof Nord in Strasbourg Robertsau. Tröster war britischer Staatsbürger. Verwandte sind laut Auskunft der Behörden nicht bekannt.




67 Route de Mittelhausbergen
67200 Strasbourg
Frankreich


Über seine musikalische bzw. wissenschaftliche Ausbildung ist bis auf die Tatsache, dass er in mehreren alten Sprachen bewandert war (vgl. S. 181 und 334), während seiner Studienzeit in den Besitz der Gesamtausgabe der alten Bachgesellschaft gelangte (vgl. S. 23) und eine „stetig wachsende Sammlung Bachscher Mikrofilme“ (S. 23) angelegt hatte, nichts bekannt.
Nach Auskunft von Lothar Bemmann (Deutsche Clavichord-Societät e. V. Göttingen) bemerkte der ehemalige Naumburger Domorganist Dr. Walter Haacke (1909-2002), dass Immanuel Tröster ein „alttestamentlicher Jude“ gewesen sei.



III. Forschungsreise nach Strasbourg (Frankreich)


Nachfolgend seien kurz die Ergebnisse einer Forschungsreise nach Strasbourg mitgeteilt, die Prof. Johannes Schild (Tonsatz, Musikhochschule Köln) und ich Ende September 2005 unternahmen, um den Autor kennen zu lernen. Erst hier stellte sich heraus, dass Tröster bereits im April 2003 verstarb. Eine der wenigen Personen, mit der Tröster in seinen letzten Lebensjahren in Kontakt stand, war seine ehemalige Vermieterin Frau Lucie Teutsch (86), die uns bereitwillig Auskunft erteilte. Nach ihren Angaben ist das vorliegende Buch eine zweite Fassung. Die erste Urfassung blieb unveröffentlicht. Bis zu seinem Tode arbeitete Tröster an weiteren Büchern über Johann Sebastian Bach, die jedoch ebenfalls unveröffentlicht blieben, obwohl bereits Gespräche mit einem Verlag aufgenommen wurden. Ein bedeutender deutscher Musikwissenschaftler, der ihm bei seiner Arbeit behilflich war und dessen Name uns noch unbekannt ist, verstarb Ende der 1990er Jahre, so dass Tröster seine Bücher nicht mehr weiterführen bzw. vollenden konnte, vgl. die Bemerkung auf S. 562: „Ein jedes berührte Werk sollte an Ort und Stelle ausschöpfend erörtert werden, doch war ein derartiges Vorhaben eigenhändig nicht zu bewältigen. In genau welcher Form das hier Versäumte nachzuholen wäre, steht noch nicht fest.“

Bis heute ist nicht klar, wo sein gesamtes wissenschaftliches Material verblieb.

Die zuständige Nachlassverwaltung (Direction des Services Fiscaux de Meurthe et Moselle, Cellule de gestion des patrimoines privés, Nancy) gewährte uns einen Einblick in ihre Unterlagen. Es stellte sich heraus, dass der Großteil seines Nachlasses, vermutlich auch sein Computer, seine Claviere und speziell sein Pedalclavichord für etwas mehr als 20 Euro (!) an einen Strasbourger Notar versteigert wurden, der bislang trotz unseres Forschungsinteresses zu keiner Auskunft bereit ist. Gespräche mit einem Anwalt wurden bereits aufgenommen. Wo allerdings seine beiden Dossiers mit Manuskripten und handschriftlichen bzw. gescannten Notenbeispielen verblieben, von denen uns Frau Teutsch berichtete, ist unbekannt. Sie wurden in Kartons verpackt und landeten vermutlich auf dem Müll.



IV. Rezeption


Betrachtet man seinen Lebensweg und seine Arbeit, so fällt auf, dass nur wenig über sein Buch und seine Arbeit bekannt ist. Eine Kooperation mit dem Göttinger Bach-Institut kam aus verschiedenen Gründen nicht zustande, u. a. wegen Trösters scharfer Kritik an der NBA (vgl. S. 197-220). Zudem fühlte er sich in akademischen Zirkeln nicht wohl. Die wenigen Musikwissenschaftler, die begonnen hatten sein Buch zu lesen, legten es bald aus der Hand, mit der Bemerkung, dass es spekulativ sei. In der Diskussion stellte sich jedoch bald heraus, dass diese Personen keine Kenntnis von der Ursatz-Theorie Heinrich Schenkers besitzen oder sie anwenden können. Die Beherrschung dieser Theorie setzt Tröster in seinem Buch jedoch voraus und wendet sie in verschiedenster, neuartiger Form auf Bachs Werke an, u. a. in Kombination mit der Figurenlehre und verschiedenen Choralkontexten: „Der Interessierte wird hiermit auf die maßgeblichen Untersuchungen von H. Schenker zum Phänomen des ‚Ursatzes’ und der ‚Urlinien’ sowie auf dessen weitere Entwicklung durch P. Hindemith in seiner Abhandlung‚ The Craft of Musical Composition’ verwiesen“ (S. 64). Daher wird sein Buch zumeist von Tonsetzern und praktizierenden Musikern gelesen, die Kenntnis von dieser Theorie haben.
Erstaunlich sind der Reichtum der Ideen, der in Trösters scharfsinnigen Analysen zu Tage tritt und die Zielsicherheit, mit der er offensichtlich jede Note des Bachschen Ouevres bis hin zu einzelnen Artikulationsbögen und die Abschriften seiner Schüler genau kannte und innerhalb seiner Theorie anzuwenden wusste.
Selbst wenn man sich nicht mit jedem Ansatz und jeder Äußerung anfreunden mag (z. B. mit der polemischen Art seiner Äußerungen zur Zahlensymbolik), so ist es doch wichtiger, die Qualität der Ausführungen zu sehen, die unserer Meinung nach sehr hoch ist und durch die sein Buch einen besonderen Wert erhält. Es scheint bemerkenswert, dass bislang kaum jemand tätig geworden ist, um mehr über sein Denken und Weiterführendes zu seiner speziellen Analysemethode zu erfahren bzw. sich mit seinem Buch grundlegend auseinanderzusetzen.

Insgesamt gesehen war der Lebensweg Trösters von Einsamkeit und zuletzt auch Armut geprägt - Tröster erhielt ein Sozialbegräbnis, sein Grab ist völlig verwahrlost - doch arbeitete er bis zuletzt an seinen Büchern über Johann Sebastian Bach und forschte in Bibliotheken. Nach Auskunft von Frau Teutsch richtete er sein Leben völlig darauf aus.

Unsere Suche hat hiermit eine tragische Wende erreicht. Tragisch insofern, als dass Tröster nicht mehr erlebt hat, dass jemand seine Arbeit würdigt. Wir wären bereit dazu gewesen, von ihm zu lernen, kommen aber leider zu spät.

Wir geben aber noch nicht auf und suchen weiter - und zwar nach Kollegen, Bekannten, Schülern oder Helfern, denn es ist eine Neuauflage des Buches angedacht. Daher ist es wichtig, dass für ein entsprechendes Nachwort der Herausgeber so viele Informationen wie möglich zu Immanuel Tröster (Fotos, Elternhaus, Ausbildung und Studium, etc.) und vor allem zu seiner Arbeit zusammengetragen werden. Es wäre gut, in Erfahrung zu bringen, wo sein gesamtes wissenschaftliches Material und seine Aufzeichnungen verblieben sind. Für jeden weiterführenden Hinweis sind wir dankbar.

Weiterhin werden Sponsoren gesucht, die mithelfen würden, eine Neuauflage zu finanzieren. Hierzu wird noch eine eigene, gesonderte Seite ins Netz gestellt werden.

Immanuel Tröster war - unserer Meinung nach - neben Albert Schweitzer, Hans Heinrich Eggebrecht u. a. wohl einer der bedeutendsten Bach-Forscher des 20. Jahrhunderts. Sein Werk findet aber erst in den letzten Jahren allmählich die ihm gebührende Würdigung. Seinen Nachlass zu sichten und zu bewahren ist eine Angelegenheit von höchster wissenschaftlicher Relevanz und neben der geplanten Neuauflage des Buches die einzige Ehre, die man dem verkannt Verstorbenen erweisen kann.

„Vielleicht ist es mein Lebensalter, das mir die Freiheit gibt, mich als Wissenschaftler auch auf das von vorneherein Unbeweisbare einzulassen. Oder ist es die Einsicht, daß eine Interpretation gar nicht beweisbar zu sein braucht, um wissenschaftlich nicht überflüssig zu sein, und zudem die Zuversicht, daß sie selbst dort wo sie auf Ablehnung stößt, gleichwohl in den Argumenten und Indizien, die beizubringen sind einen Wert (!) zu gewinnen vermag? Oder ist es doch die Hoffnung, daß meine Interpretation richtig sein könnte? Richtig in dem Sinn, daß die Deutung durch die Erscheinung gerechtfertigt ist und die Erscheinung durch die Deutung an Einsichtigkeit gewinnt (...) Auch diese Interpretation ist nicht beweisbar – nie wird sie es sein. Und kaum wagt sie sich hinaus in unsere moderne Welt. Sie steht im Verdacht eines Delikts, einer Straftat im Sinne der ideologisch verdorbenen Bach-Exegese. Dies ist in Kauf zu nehmen. Doch stellen wir uns auf die Seite der Geschworenen. Begeben wir uns auf den Weg, um Indizien zu sammeln, die den Geschworenen hilfreich sein können.“
(Hans Heinrich Eggebrecht: Bachs Kunst der Fuge, Piper: München 1984, S. 7 und 15. Im gleichen Jahr erschien das Buch von Immanuel Tröster.)